Vielleicht ist es angebracht, den Begriff „Notradio“ für die jüngeren Leser unter uns zu erläutern:
Dazu versetzen wir uns in die Zeit von 1945 bis etwa 1949. Die meisten Bewohner in Deutschland (und anderswo) mussten versuchen, mit viel Entbehrungen den Kopf über Wasser zu halten. Selbst die Versorgung mit den elementaren Lebensmitteln war sehr schwierig. Ich erinner mich noch an Lebensmittelmarken und die Schulspeisung, organisiert durch die Allierten.
Da ein Großteil von Hab und Gut zerstört war, musste man sich irgendwie selber helfen. Das hier vorgestellte Radio ist ein Beispiel dafür, wie mit Teilen aus noch greifbaren Wehrmachtsfunkgeräten ein funktionsfähiger Empfänger gebastelt wurde.
Wir sehen, ein begabter Rundfunkmechaniker hat einen 5-Röhren, 2-Kreis Geradeausempfänger auf die Beine gestellt! Alle Achtung! Es waren scheinbar noch eine Menge Röhren vom Typ RV12P2000 in jener Zeit verfügbar. Nur diese sind verbaut worden.
Da ist zunächst eine HF-Vorstufe (Rö.1) zu finden. Direkt daneben eine weitere RV12P2000, welche jedoch nicht bedrahtet wurde. Scheinbar war geplant, eine 2. HF-Vorstufe (Rö.2) könnte noch mehr Stationen bringen, was meist aber große Schwierigkeiten in Bezug auf Unstabilitäten macht.
Es folgt ein gewöhnlicher Gittergleichrichter mit Rückkopplung (Audion, Rö.3), dessen Ausgang steuert zwei parallel geschaltete RV12P2000 an (Rö. 4 & 5). Diese bilden die Endstufe für den Lautsprecher. Hierbei wurde keine Rücksicht auf die maximal zulässige Belastung genommen, indem einfach beide Schirmgitter auf 230V gelegt wurden! Das habe ich korrigiert und einen 80 kOhm Widerstand mit Entkopplungskondensator eingefügt. Desweiteren liefert ein Selengleichrichter die Anodenspannung.
Schlecht sah es mit den vorhandenen Spulen aus. Ich denke, dass damals säurehaltiges Lötfett verwendet wurde, denn der Grünspahn hat die dünnen Drähte verrotten lassen. Alles neuwickeln war mir zu viel Arbeit, also zwei vorhandenen Spulen aus meinem Bastelvorrat eingebaut, worauf der Empfang (jetzt nur MW-Bereich) mit guter Empfindlichkeit wieder möglich ist.
Ein paar Kondensatoren mussten von mir erneuert werden, was ja keine Überraschung ist. Da es sich um ein Allstromgerät handelt, sind gewisse Sicherheitsmaßnahmen zu beachten. Das hatte man damals weniger ernst genommen. Beispiel: Die beiden blanken 4mm Buchsen ganz rechts hinten war der Netzeingang!! Auch hier wurden die erforderlichen Schritte unternommen indem das obere Loch für den Netzschalter, das untere für die Netzkabeleinführung benutzt wird.
Abschließend kann man sagen: Mit den Klängen aus dem Lautsprecher konnte man das Elend in den ersten Nachkriegsjahren sicherlich so etwas leichter ertragen.....
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Re: Ein „Notradio“, kurz nach dem Krieg gebaut......
WoHo: Es waren scheinbar noch eine Menge Röhren vom Typ RV12P2000 in jener Zeit verfügbar. Nur diese sind verbaut worden.
Hallo Wolfgang,
die Alliierten hatten Radios und alles, was damit zu tun hatte, konfisziert. Die Wehrmachtsröhre RV12P2000 gehörte offenbar nicht dazu und wurde auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Sie ist auch heute noch ausreichend verfügbar. Auch die wenigen Funkamateure bauten mit dieser Röhre ihre Empfänger in dieser Zeit. Ich stiess neulich auf die Skizze eines KW-Audions ("... mit butterweicher Rückkopplung"), das die Zeitschrift QRV von Felix Körner 1950 veröffentlichte. Im Buch "Rote Röhren, grüne Spulen" von Jürgen F.Hemme wird die Schaltung ebenfalls lobend erwähnt (S.203: 100 Länder in CW).
Frage: Wer hat den Original-QRV-Artikel? Dann bitte pm.
Gruss Walter
Nachtrag:
Das Buch "RV12P2000 Ersatzmöglichkeiten für normale Radioröhren ..." von Günter Heine und Rudolf Wollenschläger, Deutscher Funk-Verlag 1946 lässt sich hier herunterladen: h t t p s://w w w.nonstopsystems.com/radio/pdf-hell/article-RV12-Ersazt-400.pdf
Re: Ein „Notradio“, kurz nach dem Krieg gebaut......
Hallo Wolfgang,
ja, die Röhre wurde bei den Mlitärs auch nach dem Krieg noch fleissig eingesetzt, die Russen bauten sie für verschiedene Heizspannungen nach, wie z.B. 12Ж1Л und verwendeten sie noch deutlich länger, was auch die DDR-Fertigung erklären dürfte. Vielleicht weiss da jemand mehr? Im RM, in dem Du dich ja eher noch besser auskennst, kann man das auch nachlesen.
Gruss Walter
Nachtrag:
Ich erhielt eine Telefunken-NOS mit der Kennzeichnung ec = Herstellung im Dezember 1953. Telefunken beendete 1954 die Fertigung nach knapp 5 Millionen Stück in Berlin und Ulm. In Polen wurde die Röhre 12Ż1Ł mit gleichen Daten gefertigt, die in ihrer Bauform aber eher an den russischen Nachbau erinnert (Loctal-Fassung). Messungen hier: https://www.wumpus-gollum-forum.de/forum...&thread=306
Re: Ein „Notradio“, kurz nach dem Krieg gebaut......
Hallo zusammen,
diese Notradios sind immer interessant, weil man gut sehen kann, was es so an begnadeten Leuten gab, um mit wenigen Mitteln brauchbare Radios zu bauen.
Ist sogar ein eigenes Sammelgebiet. Gerade die Wehrmachtsröhren und speziell die RV12P2000 wurde gern (weil viel vorhanden) war oft das Mittel der Wahl.
Re: Ein „Notradio“, kurz nach dem Krieg gebaut......
Hallo Wolfgang,
das Geld war 1960 noch knapp, um sich ein neues Radio zu kaufen. Somit war noch Bedarf da. Eventuell war auch noch Bedarf bei Behörden und Militär da, die noch alte Militärtechnik betrieben. Es wurden ja auch noch viel ältere Röhren produziert, die Kinoanlagen und Radios steckten. Es hatten doch noch viele Vorkriegsradios überlebt. Ich kann mich noch erinnern an meine Kinderzeit unter 6 Jahren. Da stand noch ein Volksempfänger und ein Notradio im Hause. Und erst mitte der fünfziger Jahre folgte ein EAK Zwergsuper.
Hallo Walter,
die P2000 bauten auch andere als EF95 weiter, wenn ich mich nicht irre.
Viele Grüße Bernd
Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher. (Albert Einstein)
Re: Ein „Notradio“, kurz nach dem Krieg gebaut......
MB-RADIO: ... die P2000 bauten auch andere als EF95 weiter, wenn ich mich nicht irre.
Hallo Bernd,
diese Behauptung habe ich an verschiedenen Stellen auch gelesen. Ich glaube das aber nicht, schon alleine wegen der hohen Abweichung in Steilheit (5 anstelle 1,5mA/V) und Innenwiderstand. Das RM gibt die EF176 als Nachfolgetype an, das würde schon eher passen. Im Übrigen begann Telefunken 1948 mit der Neuproduktion der RV12P2000, die 1954 endete. Die Russen bauten die vergleichbare 12Ж1Л auch in einer 4 und 6V-Version bis 1985 (!). Die polnische 12Ż1Ł gehört mit in die Betrachtung. Ich werde zur gegebenen Zeit die 3 Typen mit entsprechenden Kennlinien in der Rubrik "Röhren" gegenüberstellen.
Re: Ein „Notradio“, kurz nach dem Krieg gebaut......
Hallo,
ich habe das auch nur gelesen. Die P200 istt aber auch bis 300MHz angegeben und die EF95 wird auch bis ZF oder gar NF verwendt. Verglichen wurde wohl nur deren Universalität und Einsatz fürs Militär.
Viele Grüße Bernd
Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher. (Albert Einstein)