Warum Penthoden? oder: Wie wurde eine Krücke zum Renner
Hallo Röhrenfreunde,
sicherlich wird sich der eine oder andere schon gefragt haben, was es mit so genannten "Mehrgitterröhren" auf sich hat. Dieser Beitrag soll ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
Grundsätzlich gesehen tut eine Triode in der so genannten "Kathodenbasisschaltung" zunächst einmal das, was man von ihr erwartet. Durch kleine Spannungsänderungen am Steuergitter gegenüber der Kathode wird eine relativ grosse Anodenstromänderung hervor gerufen. Das ist der gewünschte Verstärkereffekt. Damit wäre doch schon alles gut, oder? Leider Nein!
Dummerweise passiert in der Triode im "dynamischen Betrieb" etwas ganz und gar Unerwünschtes. Es treten nämlich so genannte "Rückwirkungen" auf, die das Ausgangssignal gegenüber dem Eingangssignal recht spürbar "verbiegen". Dies wird mit "Nichtlinearen Verzerrungen" bezeichnet. Schuld daran ist der so genannte "Durchgriff". Aber was ist das?
Der Durchgriff umschreibt, dass der Anodenstrom in einem nicht linearen Zusammenhang mit der Anodenspannung steht. Der dynamische Innenwiderstand einer ausgesteuerten Triode ist also nicht proportional. Bei Ansteuerung der Triode mit einem reinen Sinussignal bewirkt dies, dass die positiven Halbwellen des Ausgangssignals gedehnt und die negativen HW gestaucht werden. Im Audio-Bereich z.B. ist das eine Katastrophe, das Klangbild wird unsauber, verzerrt.
So stellt sich die Frage, wie man die "Krücke" von Triode in ihrer Konstruktion so abändern kann, damit dieser Fehler möglichst vermieden wird.
Zunächst könnte man den Abstand zwischen Anode und Steuergitter vergrössern. Das bewirkt zwar eine Veringerung des Durchgriffes, erhöht jedoch den Innenwiderstand der Röhre. Auch könnte man den Abstand des Steuergitters zur Kathode verringern. Dies stösst jedoch bald an die Grenzen dessen, was technologisch machbar ist und ab dem sich daraus thermische Probleme ergeben.
Eine andere Idee wäre das Einfügen eines weiteren Gitters mit fester positiver Spannung, welches Anode und Steuergitter von einander abschirmt. Dies führte zur Entwicklung der so genannten "Schirmgitterröhre", auch als "Tetrode" oder Vierpolröhre bezeichnet. Die feste positiver Schirmgitterspannung sorgt für eine Verringerung der Kapazität zwischen Steuergitter und Anode und senkt den Durchgriff. Alles prima, möchte man meinen. Halt - auch dieses Ding hat zwei Seiten!
Die positive Schirmgitterspannung führt zur Beschleunigung der Elektronen, welche nach der Anode streben. Kommen sie dort an, schlagen sie dort wegen der hohen Aufprallenergie so genannte "Sekundärelektronen" heraus. Diese sind dem eigentlichen Elektronenstrom entgegen gerichtet. Der Zusammenprall der entgegenläufigen Elektronen verursacht ein erhöhtes, unerwünschtes Rauschen. Nun sind Sekundärelektronen sehr viel langsamer und können deshalb mit einem zusätzlichen, weitmaschig ausgelegten Gitter "eingefangen" werden. Dieses dritte Gitter wird deshalb auch als "Fanggitter" oder "Bremsgitter" bezeichnet. Damit ist die "Penthode" oder "Fünfpolröhre" geboren. Penthoden haben somit die geringsten Verzerrungen, wegen der Vielzahl der Gitter jedoch auch einen höheren Innenwiderstand.
Wegen der relativ grossen Abstände innerhalb des Röhrensystems eigenen sich Penthoden nur für einen Frequenzbereich bis etwa UKW. Darüber hinaus machen sich die Laufzeiten innerhalb des Röhrensystems sehr negativ bemerkbar, was irgendwann zu Phasenverschiebungen von 180° und mehr führt. Das lässt auf den ersten Blick harmlose, einfache Verstärkerschaltungen plötzlich und unerwünscht zu waschechten Oszillatoren werden!
Im UHF-Bereich z.B. werden deshalb wieder Trioden mit sehr geringen Elektrodenabständen verwendet. Siehe auch: Spanngitterröhren. Diese werden nicht in Kathodenbasis- sondern in Gitterbasisschaltung betrieben, um parasitäre Kapazitäten zwischen Kathode und Anode weitestgehend unschädlich zu machen. Die Eingagangsimpedanz sinkt dadurch naturgemäss auf einige hundert Ohm. Verzerrungen spielen hier im Gegensatz zum Audio-Bereich eine untergeordnete Rolle. Wer von uns hört schon 900MHz...?
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Re: Warum Penthoden? oder: Wie wurde eine Krücke zum Renner
Hallo.Jürgen,das erinnert mich an alte Berufschultage.Wirklich alles top erklärt,besonders deine einfache und leicht verständliche Darstellung der Mehrgitter-Röhrentechnik. mfg.Joachim
Re: Warum Penthoden? oder: Wie wurde eine Krücke zum Renner
Hallo Jürgen,
Deinen Beitrag zur Entwicklung der Röhrentechnik, sowie die Erklärungen zu den einzelnen Rückkopplungsvarianten, habe ich mir in meinem Bastelordner abgeheftet. Ich brauche immer wieder das gute alte Papier zum Nachschlagen. Deine Erklärungen sind sehr verständlich und ausführlich. Ich finde es auch immer wieder interessant, dass Du Fragen, die in einzelnen Beiträgen auftauchen, sammelst und sie in ansprechender Form beantwortest.
Re: Warum Penthoden? oder: Wie wurde eine Krücke zum Renner
Hallo Röhrenfreunde,
zunächst einen herzlichen Dank für die positive Resonanz auf obigen Beitrag. Die Röhrentechnik ist ein sehr komplexes Thema. Das wurde schon 1923 vom "Röhrenpapst" Heinrich Barkhausen in seinem vierbändigen Werk "Lehrbuch der Elektronenröhren, Elektronenröhren und ihre technischen Anwendungen, Hirzel-Verlag Leipzig" wissenschaftlich untermauert. Siehe u.a. auch unter "Barkhausen'sche Röhrenformel" bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Barkhausens...C3%B6hrenformel
Leider wird auch mir bei der Betrachtung solcher hochmathematischen Ausführungen immer ein wenig schwindelig. Deshalb habe ich für mich einfach beschlossen, den Zusammenhang ohne Formeln erst einmal selbst zu verstehen. Experimente und Beobachtungen an verschiedenen Versuchsanordungen brachten mir einerseits das "Aha-Erlebnis" und andererseits den Brückenschlag zur physikalischen und mathematischen Betrachtung. Diese Erkenntnisse wollte ich schlichtweg nicht mehr für mich behalten, sondern sie mit einfachen Worten wiedergeben. Wenn das gelungen ist, freue ich mich um so mehr!