[ -M- ] Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo zusammen,
ich habe mich in den letzten beiden Tagen mit einer echten Rarität beschäftigt: dem Chelsea Rückkopplungsempfänger 101 aus den Jahren 1922 und 1923. Die Firma Chelsea aus Boston, Massachussetts betrieb ihr Geschäft in den Jahren 1922 bis nur 1927 aufgrund einer Lizensierung des US Patents 1113149 vom 6.Okrober 1914, angemeldet von Edwin Howard Armstrong. Im RM finden sich nur 29 Geräte, wobei lediglich für den ZR-30 überhaupt ein Schaltbild zu finden war. Aus diesem Grund habe ich gestern ein Schaltbild freihändig erstellt und auch im RM eingestellt. Chelsea verwendete nur die Trioden UV-200 und UV-201A. Letztere war eine Hochvakuumröhre für den Verstärker (meist zweistufig), während die UV-200 im Audion mit Argon Edelgas gefüllt war und bis maximal 22,5 Volt Anodenspannung betrieben werden durfte, um ein Durchzünden zu vermeiden. Diese mit Argon gefüllten Trioden waren mit roten Punkten markiert, denn später war es offenbar so, dass es die UV-200 auch ohne Gasfüllung bis zu einer Anodenspannung von 50V gab.
Nun, was veranlasst mich zu der Annahme, es sei ein Amateurfunkempfänger? Erstens besagtes Amstrong Patent mit dem Hinweis auf dem Gerät und der Verpackung, über die ich auch verfüge, und dann der einstellbare Frequenzbereich in folgenden Teilbereichen:
1: 1310 bis 2260 kHz 2: 818 bis 1490 kHz 3: 525 bis 955 kHz 4: 400 bis 720 kHz
Amateurfunk lief damals auf Welle 200m +/- = 1,5 MHz. Der erste Kontakt zwischen französischen und US amerikanischen Amateuren fand im Dezember 1921 statt. (Nachtrag: Erster Empfang eines US-CW-Senders in Schottland am 08.12.1921 um 01:42GMT/UTC auf Welle 270m=1,1 MHz mit einem aus den USA mitgebrachten Superhetempfänger nach Armstrong von 1917 und dem nötigen Antennen-"Know-How". Ab 1922 mussten Amateure Wellenlängen unter 200m verwenden, die damals als unbrauchbar galten.)
Zurück zum Chelsea: Die Schaltung selbst ist nicht sehr spektakulär: Der Eingang besteht aus einem Serien-Resonanzkreis hoher Güte. Die Spule besteht aus 6 Teilspulen auf einem Pertinax-Wickelkörper von 10,2 cm Aussendurchmesser. Einer dieser Teilspulen bildet zusammen mit einer drehbaren Rotorspule das Rückkopplungs-Variometer. Das Steuergitter ist über einem 460pF Koppelkondensator mit dem heissen Ende der Schwigkreisspule verbunden. Ein Parallelwiderstand ist nicht zu finden. Bei meinem Test mit der zeitgenössischen SPHERIA Triode brachte (erwartungsgemäss) auch keine Verbesserung. Das hat wahrscheinlich mit den Impedanzverhältnissen im Serienkreis zu tun. Im Heizkreis der Triode befindet sich ein 4 Ohm-Regelwiderstand. Die UV-200 hatte einen Heizstrom von ca. 0,8A. Meine Batterieröhren haben allerdings alle nur 60mA, sodass der Widerstand zu klein bemessen ist und ein weiterer zur Heizbatterie gelegt werden muss. Der Telefonhörer ist mit einem 920 pF Kondensator überbrückt.
Bedenkt man das Alter und wirft man einen Blick in das Patent von 1914, dann kann man wirklich nur staunen. Der Chelsea Apparat ist sicherlich nicht der Lautstärkste meiner Audion-Geräte, aber mit Sicherheit der Selektivste. Die Antenne spielt sicherlich mit eine Rolle, und ich sollte mit zusätzlichen HF-Trafos zwischen Antenne und Chelsea 101 experimentieren (analog zum Rückkopplungs-Patent 1113149). Es ist nicht auszudenken, was Lee de Forest und Armstrong noch erreicht hätten, wenn sie statt gegeneinander zu prozessieren zusammengearbeitet hätten.
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Re: Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo zusammen,
ich habe gerade erfahren, dass die SPHERIA Trioden in Europa im "Pericaud Beta" bereits 1924 verwendet wurden, gleich 4 Stück! Hersteller war die kleine Firma Gerard Pericaud (1900 bis 1936) in Paris. Radios wurden ab dem Ende des 1.Weltkrieges produziert.
Der Röhrenhersteller soll M.B.L.E. in Belgien gewesen sein. Da sind aber zumindestens Zweifel angesagt. Die Röhre soll der Telefunken RE074 bzw. Philips Miniwatt A409 entsprechen. Das kann sich aber nur auf die Heizung beziehen, denn ich habe für meine Exemplare nur eine Verstärkung von 7 ermittelt. Sie kommt damit der A406 am nächsten.
Trotzdem habe ich da aber vor 2 Jahren wohl echt Schwein gehabt, 3 Stück zum Stückpreis von 15 Euro zu bekommen.
Re: Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo Rainer,
danke für die Aufnahme in das Online-Museum. Leider ist ein kleiner Fehler unterlaufen: Die obere Frequenzgrenze, die ich ermittelt habe, liegt bei 2,26 MHz - nach heutigen Massstäben also Grenzwelle. Würde man die antennenseitige Kapazität einer angeschlossenen Antenne kompensieren, würde man nach Herstellerangaben bis auf 3 MHz kommen.
Gewicht übrigens 2,6 kg.
Es gab als NF-Verstärker den Chelsea No. 111 mit 2x UV-201A im gleichen Gehäuse.
Ich für meinen Teil werde ein kleines Holzkästchen mit Heiz- und Anodenbatterie und einen NF-Verstärker mit der Doppeltriode 3B7 aufbauen. Bislang konnte ich tagsüber nur die beiden Sender Wawre 621 kHz mit mässiger Lautstärke und Hulsberg 891 kHz mit geringer Lautstärke im Kopfhörer aufnehmen. Nachts sehr gute Lautstärke, insbesondere durch die englischen Sender.
Re: Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo zusammen,
ich habe noch ein wenig mit dem Empfänger experimentiert. Mir ist aufgefallen, dass das Audion mit nicht zu hoher Anodenspannung betrieben werden sollte. 90V ist schon zuviel, es sei denn, man begrenzt den Anodenstrom mit einem Widerstand >= 100k Ohm auf 0,5 ... 0,6mA. Trioden sind eben wegen der Impedanzverhältnisse eher nachteilig. Der Klirrfaktor ist auch nicht optimal. Man muss halt den richtigen Arbeitpunkt einstellen, damit sich ein Maximum der demodulierten Audio einstellt. Es empfiehlt sich eine transformatorische Kopplung zur nächsten Audiostufe. Interessant ist die Variante des Nestel Audions. Ich werde aber an dem historischen Gerät keine Änderungen vornehmen und ggf. einen separaten Versuchsaufbau vornehmen.
Re: Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo zusammen,
abschliessend noch ein Bild des heute fertiggestellten "Batteriepacks" für die Kombination Chelsea No.101 und GenRad No.215 aus 2x9V-Lithiumbatterien für das Audion, 3x9V-Lithiumbatterien für die Anode des Verstärkers und 6V-Bleigel-Akku 7Ah für die Heizung der 3 Röhren. Die Anodenbatterien werden mit <1mA belastet und die 9V Batterien haben dann eine Klemmenspannung von 11V.
Re: Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo Walter,
ja das ist ein echtes Schätzchen.
WalterBar:Trioden sind eben wegen der Impedanzverhältnisse eher nachteilig. Der Klirrfaktor ist auch nicht optimal. Man muss halt den richtigen Arbeitpunkt einstellen, damit sich ein Maximum der demodulierten Audio einstellt.
Das sind doch genau die Dinge die dann Freude machen.....wenn es gelingt das Audion optimal einzustellen. Ist halt kein Super
Walter, eine kleine Frage; Ich verstehe nicht den Anschluss des Telefons. Wie soll hier eine NF hörbar sein. Das Telefon hängt ja eigentlich parallel zur Anodenspannung. Also zwischen + /- ! Liegt hier ein Fehler in der Skizze vor?
Re: Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo Joerg,
Du hast völlig recht, das habe ich falsch gezeichnet - der Hörer liegt natürlich in Serie zur Anodenspannung. In der Zusammenschaltung mit dem Verstärker in der Schaltstellung "Detektor" wird der Eingangsübertrager 1:5 des Verstärkers mit verwendet. Dadurch wird der Detektor empfindlicher und es muss allenfalls eine Röhre im Verstärker verwendet werden. Alle drei Stufen sind nur bei kurzen Antennen oder zum Empfang von verrauschten Signalen notwendig. Dann kommt allerdings schon ein Brummen durch die Wechselfelder zum Tragen. Kein Wunder bei dem ungeschirmten Aufbau, aber diese Felder dürften in den 20'er Jahren nicht existiert haben. Die Röhrenbestückung ist momentan UV-200, UV-201A, UX-201A. Eine UV-201 ist offenbar nicht mehr zu bekommen, weil hier schon thorierte Heizfäden und Getter verwendet wurde (Emissionsverlust im Gegensatz zu reinen Wolframfäden, auf 25% reduzierter Heizstrom). Das ist aber nicht so schlimm, weil sich der summierte Heizstrom so von 3A auf 1,5A halbiert. Der Verstärker ist hier beschrieben:
Re: Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo Walter, hallo zusammen,
Ich würde den oben gezeigten Plan korrigieren, wäre doch schade wenn sich jemand für das Gerät interessiert und dann den falschen Plan / Skizze als reale Verdrahtung sieht.
In meinem Schaltungsbuch von 1926 ist das hier die klassische Kopfhörerverschaltung mit Parallelkondensator. Der Hörer hängt dort immer in der Minusleitung der Anodenspannung. Interessant, dass Dein Gerät noch keinen Gitterwiderstand hat. In meinem Buch sind alle Empfangsschaltungen mit Gitterwiderstand abgebildet. Ausnahme bildet die Ankopplung von Verstärkerstufen mittels Übertrager. Hier nutzt man anscheinend die Sekundärwicklung des Übertragers auch als Gitterwiderstand. (Ohmsche Anteile). Hier im Bild auch etwas merkwürdig, da C1 den Gleichspannungsweg auch zu R1 blockt. Im frühen Plan ist auch endlich mal die gegenläufige Wicklung L2 zu L1 zu sehen. Ansonsten funktioniert die Rückkopplung nicht richtig.
Re: Chelsea "Regenerative Receiver No.101" aus dem Jahr 1922 - 1. kommerzieller Amateurfunkempfänger?
Hallo Joerg,
der Chelsea hat definitiv keinen Gitterableitwiderstand, unser WGF-Mitbenutzer und Kollege "Antennow" gab mir den Hinweis, dass es sich bei dem Chelsea 101 um ein Pendelaudion handelt:
"Der Chelsea 101 ist ein Pendel-Audion. Der fehlende (eigentlich extrem hohe) Gitterableitwiderstand bewirkt ein zyklisches Blockieren der Röhre, im Takt der Pendelschwingungen. Mit dem 4 Ohm Heizwiderstand hat man damals den Arbeitspunkt der Röhre eingestellt. Der Koppelkondensator war für die Pendelfrequenz maßgebend."
Eine Neuzeichnung muss ich wohl ernsthaft erwägen, an diesem Wochenende wird allerdings keine Zeit sein. Ein Pendelaudion mit Variometer in der Rückkopplung ist allerdings schwierig nachzubauen, wie ich selbst erfahren musste. Ich rate davon ab und empfehle deine Standart-Schaltung, allerdings mit Parallelschwingkreis und nicht mit paralleler R/C-Kombination, sondern als separaten Ableitwiderstand direkt zwischen Gitter und Heizung/Kathode und Koppel-C zum Parallelschwingkreis.