Re: Baubericht Röhren-Mittelwellen-Audion im Holzgehäuse (viele Bilder)
Hallo zusammen,
als Jugendlicher hatte ich mal eine ausgeschlachtete 9-kHz-Sperre in der Hand. Das war eine mit dünnem Draht bewickelte Spule mit einem Durchmesser von etwa 15 mm und einer Höhe von etwa 40 mm. Selber tut man sich die Wickelarbeit nicht an.
Zitieren:Um zu sehen, ob man auch mit der rein passiven Version zurechtkommt, müßte man etwas experimentieren. Am einfachsten geht das mit einer Simulation. Ich empfehle deshalb bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, sich mal mit einem Simulationsprogramm anzufreunden. (z.B. LTSpice, siehe Wikipedia).
Dem kann ich mich nur anschließen. Ich komme seit vielen Jahren aus der "Simulationsecke". Deshalb sei mir gestattet auch meinen "Senf" dazugeben. LTSpice ist nach meiner Überzeugung für unsere Zwecke mit Abstand die erste Wahl. Es ist als Vollversion kostenlos, hat eine große Anwendergemeinschaft, die sich gegeneitig unterstützt, zahlreiche Modelle sind vorhanden, keine Knoten- und Bauteilebegrenzung. Die Stichworte Gunthard Kraus und LTSpice führen zu deutschsprachigen Anleitungen für Einsteiger. Auch anspruchsvolle Aufgaben der HF-Technik lassen sich damit simulieren. Ich könnte einen ganzen Roman darüber schreiben.
Für LTSpice gibt es auch Röhrenmodelle, womit sich der NF-Verstärker aufbauen ließe. Es gibt auch Modelle für den Ausgangsübertrager. Ein NF-Signal als WAV-Datei kann die Eingangsquelle steuern. Die Simulation liefert dann wieder eine WAV-Datei, womit sich dann das Filter und die Verzerrungen auch gehörmäßig beurteilen lassen. Man muss sich also nicht nur auf den abgebildeten Frequenzgang und dem verlassen, was man auf einem Ozilloskop sehen würde. Allerdings ist eine Simulation immer so gut wie die verwendeten Modelle und eine Simulation ist nie vollkommen. Philosophisch ausgedrückt ist eine Simulation kein Spiegel der Wirklichkeit, sondern nur ein Abbild.
Bei der Simulation des eigentlichen Audions sehe ich unüberwindbare Hürden, die schon bei der Nachbildung des Antenneneingangssignals und den Ersatzschaltbildern der verschiedenen Antennen anfangen. Dann handelt es sich bei einem Audion um einen Oszillator, der sich kurz vor dem Schwingungseinsatz befindet und durch die Antenne bedämpft wird. Für jede Einstellung der Rückkopplung muss erneut simuliert werden. Und dies wiederholt bei jeder eingestellten Empfangsfrequenz. Um einen Oszillator zu simulieren, muss immer der gesamte Anschwingvorgang simuliert werden, um den Arbeitspunkt zu finden. Da eine Vielzahl von Parametern aufeinander abgestimmt werden müssen, wird der Optimierungsvorgang sehr rechenintensiv. Vielleicht lassen sich Teilaspekte mit der Simulation lösen. Alles in allem ist die Simulation eines Audions mit vielen Frustrationen verbunden und der Erfolg ist zu bezweifeln.
Viele Grüße Volker
"Das Radio hat keine Zukunft." (Lord Kelvin, Mathematiker und Physiker (1824-1907))
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Re: Baubericht Röhren-Mittelwellen-Audion im Holzgehäuse (viele Bilder)
Hallo Volker!
So wird's sein. Vor einiger Zeit hatte ich im Rahmen eines VE Threads einige Grafiken hier eingestellt. Diese handelten von den Verzerrungen die bei der Gittergleichrichtung entstehen und es war auch eine Prinzipschaltung einer Messanordnung zu sehen. Das waren aber nur die eingänglichen Grafiken. Die genauen math. Ableitungen und Berechnungen nehmen einen viel größeren Raum ein. Es wäre MÖGLICH ein Simulationsprogramm zu erstellen, das dürfte aber ein einsamer und langer Kampf werden. Voraussetzung wären das Fachschrifttum aus den 30 40ern und deren Umsetzung in ein heutiges Programm. Also für die beneidenswerten die Zinke, Brunswig, Rothe, Kleen usw. zur Entspannung lesen und alles verstehen, also ich kann's nicht oder nur sehr teilweise.
Re: Baubericht Röhren-Mittelwellen-Audion im Holzgehäuse (viele Bilder)
Hallo zusammen,
Volker:Bei der Simulation des eigentlichen Audions sehe ich unüberwindbare Hürden, die schon bei der Nachbildung des Antenneneingangssignals und den Ersatzschaltbildern der verschiedenen Antennen anfangen.
nobbyrad58:...Es wäre MÖGLICH ein Simulationsprogramm zu erstellen, das dürfte aber ein einsamer und langer Kampf werden.
ich sehe das ähnlich. Deshalb habe ich auch nie versucht, ein komplettes Audion zu simulieren. Teilaspekte eines Audions, z.B. die NF- oder HF-Verstärkung oder die Gleichrichtung des Signals, lasssen sich aber recht gut simulieren.
Bei meiner Anregung weiter oben im Thread, zur Simulation zu greifen, ging es um die Wirkung eines 9kHz-Filters mit Hilfe eines Doppel-T-Netzwerks. Das läßt sich wieder leicht simulieren. Eine vorangehende Simulation des Audions ist dazu nicht notwendig.
Re: Baubericht Röhren-Mittelwellen-Audion im Holzgehäuse (viele Bilder)
Hallo zusammen,
Teilschaltungen zu simulieren ist auch die gängige Praxis in der Schaltungsentwicklung. Oft geht es auch nicht anders, da sich mit Spice die allgegenwärtigen Mikrocontroller nicht simulieren lassen. LTSpice ist zum Beispiel auch mit Logikgattern dürftig bestückt. Eine große Schaltung beim ersten Anlauf zu simulieren, führt eher zu Konvergenzproblemen (Simulationsabbrüchen), dessen Ursachen sich bei vielen Bauteilen schwer finden lassen. Bei der Simulation der Teilschaltungen sollten die Eingangs- und Ausgangsimpedanzen der angrenzenden Schaltungen wenigstens näherungsweise bekannt sein und durch Ersatzschaltungen (oft nur Widerstände) eingesetzt werden. Mit zunehmender Erfahrung weiß man, worauf es bei der Simulation ankommt. Oft will man nur Teilaspekte wissen, z.B. ob der Arbeitspunkt vernünftig gewählt worden ist.
Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn ein Netzteil für ein Röhrenempfänger simuliert werden soll, dann wird die zu speisende Schaltung durch einen Lastwiderstand ersetzt. Das Netzteil muss auch ohne Last simuliert werden, um den Zustand bei kalten Röhren zu erfassen. Dadurch erfährt man die maximalen Spannungen an den Elkos. Der Aufheizvorgang der Röhren ist in den Röhrenmodellen auch nicht berücksichtigt. Wer es genauer untersuchen will, kann den Lastwiderstand sweepen, also automatisch verändern lassen, um zu sehen, was passiert, wenn die Last durch den Aufheizvorgang ansteigt.
Ein großer Vorteil einer Simulation ist auch, dass sie einem hilft zu verstehen, wie eine Schaltung funktioniert. Das Verändern der Schaltung geht viel schneller als mit einem Laboraufbau. Parasitäre Effekte durch eine ungünstige Verdrahtung entfallen. Und die Simulation liefert Ergebnisse, die in Wirklichkeit nur mit einem unbezahlbaren Messgeräteaufwand zu erreichen wären.
Mir ist noch etwas zur Audion-Simulation eingefallen. Es ist ja auch ein rückgekoppeltes, aktives Filter. Im AC-Sweep (Frequenzgang-Analyse) erhält man dann phantastisch schmalbandige Filterkurven, obwohl in Wirklichkeit sich die Schaltung schon längst zu einem Oszillator entwickelt hat. Dies müsste wieder durch die Transientenanalyse (Simulation im Zeitbereich) geprüft werden. Das ist dann alles sehr umständlich.
Gibt es irgendwo Literatur über die Entwicklung des Volksempfängers? Mich würde interessieren, wie die damaligen Entwickler bei der Optimierung der Schaltung vorgegangen sind. Bei den hohen Stückzahlen hat man mit Sicherheit versucht alles aus der Schaltung herauszuholen. Was wurde probiert und was wurde berechnet oder zeichnerisch gelöst? Schade, wenn dieses Wissen verlorengegangen wäre.
Viele Grüße Volker
"Das Radio hat keine Zukunft." (Lord Kelvin, Mathematiker und Physiker (1824-1907))
Re: Baubericht Röhren-Mittelwellen-Audion im Holzgehäuse (viele Bilder)
Hallo Nobby, vielen Dank.
Hallo zusammen!
Und hier noch eine Hörprobe von heute 17:30 mit dem PCL86-Audion. Das Mittelwellenband ist voll und Nachbarstationen schlagen durch. Würde ich den Antennenpegel herunterdrehen, wäre das Übersprechen und Pfeifen weitgend verschwunden, aber dann wäre der Ton zu leise. Man müsste also zum Ausgleich mit einer NF-Vorröhre arbeiten.
Das Fading ist auch noch ein Problem bei Fernempfang. Deshalb verstehe ich jetzt, warum man in den 20er und 30er Jahren auf eine Versorgung mit Ortssendern Wert gelegt hatte.
Nun überlege ich mir Rainers Vorschlag mit dem Kaskoden-Audion umzusezten. Allerdings schafft das vorhandene Netzteil nur 100 Volt. Wegen der bereits vorhandenen Heizspannungsversorgung würde ich eine PCC88 und eine PCL86 einsetzen. Zudem habe ich davon einige Exemplare. Zwei weitere Potis müssten dann auf die Front, eins für den Antennenpegel und das andere für die Lautstärke. Das wäre machbar. Die PCC88 ist ja eine Spanngitterröhre und sehr steil. Hoffentlich gibt es deshalb keine unerwarteten Probleme.
Ohne Gehäuse sah der Probeaufbau übrigens einst wie folgt aus:
Es geht irgendwie alles.
Viele Grüße Volker
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Re: Baubericht Röhren-Mittelwellen-Audion im Holzgehäuse (viele Bilder)
Hallo Rainer,
das Pfeifen tritt nur bei Nachbarkanalstörungen auf. In den Nachtstunden zum Zeitpunkt der Aufnahme drängen sich viele sehr stark einfallende Mittelwellenstationen. Am späten Vormittag ist die Empfangssituation völlig anders. Dann ist der Deutschlandfunk mit seinem starken Sender als einzige Station zu empfangen und ist deshalb störungsfrei zu hören. Allerdings ist der Empfang dann durch starkes Fading zeitweise unterbrochen.
Als nächstes wir der Gitterableitwiderstand der Audionröhre verändert. Ich hoffe noch einiges aus der Schaltung herausholen zu können. Aber das große Empfangswunder erwarte ich nicht. Deshalb tendiere ich immer mehr zum Bau eines Superhets. Dieses Konzept hat bestimmt nicht ohne Grund die Geradeausempfänger vom Markt verdrängt.
Viele Grüße Volker
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Re: Baubericht Röhren-Mittelwellen-Audion im Holzgehäuse (viele Bilder)
Volker: Aber das große Empfangswunder erwarte ich nicht. Deshalb tendiere ich immer mehr zum Bau eines Superhets. Dieses Konzept hat bestimmt nicht ohne Grund die Geradeausempfänger vom Markt verdrängt.
Hallo Volker,
m.E. liegt der entscheidende Vorteil des Superhets in der Selektivität, nicht so sehr in der Empfangsleistung schwacher und entfernter Sender.
Re: Baubericht Röhren-Mittelwellen-Audion im Holzgehäuse (viele Bilder)
Hallo Klaus,
ich baue das jetzt alles um. Es kommt ein Superhet mit dem Empfänger-IC TCA440 und einem Keramikfilter rein. Der Doppeldrehkoh ist schon vorhanden. Das Rückkopplungspoti dient zur Einstellung der Lautstärke. Die Betriebspannung für den TCA440 kann nach Gleichrichtung und Stabilisierung aus der Heizspannung gewonnen werden. Die PCL84 dient dann nur noch als NF-Verstärker.
Dann kann ich mit Fug und Recht behaupten ein trennscharfes Radio nach dem Superhetprinzip mit einer einzigen Röhre gebaut zu haben. Alles eine Frage der Formulierung.
Scherz beiseite. Es schwebt mir eine Röhrenbestückung in der Richtung ECH81, EF89, EABC80 (oder ähnlich) und EL84 vor. Die Anodenspannung soll wie üblich bei 200 bis 250 Volt liegen. Falls ich Netzgleichrichterröhren auftreiben kann, würde ich auch noch diese einbauen. Der Empfang soll nur bei Mittelwelle liegen. Das erspart die Bandumschaltung und damit viel Abgleicharbeit. Dieses Band höre ich zudem zu 99%. Anregungen gibt es z.B. unter http://www.wumpus-gollum-forum.de/forum/...rhet-58_63.html hier im Forum. Tolles Projekt, bei dem die ganze Vorarbeit für die Dimensionierung der Spulen und Bandfilter geleistet wurde. Faszinierend ist der kleine Batterieröhrensuper ( http://www.wumpus-gollum-forum.de/forum/...hren-58_42.html ).
Natürlich hat der Bau eines Superhet mit einem TCA440 und einem nachfolgenden Halbleiter-IC-Verstärker auch seinen Reiz und ist lehrreich. Da lernt man eine Menge über den Gleichlauf zwischen Oszillator- und Eingangskreis. Der Winter ist ja noch lang und er wird nicht der letzte sein.
Viele Grüße Volker
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