Hallo Herrmann,

Sentimentalität ist nur EIN Aspekt, der den Frust über die umfassende Digitalisierung sämtlicher Informations-und Unterhaltungsmedien betrifft.

Neben den gefühlten Nachteilen sehe ich da durchaus eine Reihe objetiver Nachteile, als da wären:

• konsequente Durchsetzung von Rechtemanagement - was zum Schutz von Autorenrechten vielleicht noch verständlich ist, wird grotesk, wenn informative Berichterstattung betroffen ist
• Rückverfolgbarkeit des Medienzugriffs - zumindest, wenn IP-Technologie zum Transport genutzt wird
• Anfälligkeit im Katastrophenfall
• die gelobte Vielfalt an Sendern (also ihre schiere Menge) lässt die Bedeutung einzelner Sender und damit auch ihre finanzielle Ausstattung (das Werbeaufkommen für den Einzelnen oder den Anteil an Zuwendungen) sinken, was die Möglichkeiten für qualitativ hochwertigen Journalismus verschlechtert -> es gibt zwar nun viele "Sender", aber die Informationen kommen von wenigen monopolisierten Agenturen
• die Versorgung in den Metropolen wird (vielleicht) besser, die Versorgung auf der Fläche wird Lücken behalten
• der kostenlose nicht rückverfolgbare europa- bzw. weltweite Empfang (unabhängig von lokaler Infrastruktur) ist mit dem Ende analoger Aussendungen auf den klassischen AM-Bändern Geschichte, es wir immer Gebiete geben, in denen ich die möglicherweise vorhandene digitale Infrastruktur nicht nutzen kann, aus Rechtegründen, wegen fehlender Flatrate, wegen unterschiedlicher Standards, ...
• wohl nie wieder werde ich mit ein- und demselben Empfangsgerät weltweit empfangen können, weil weltweit die gleichen Standards gelten - hier zeigt die DVB-T-Vielfalt in Europa bereits, wo es hingeht
  

Hallo zusammen,

es ist aus meiner Sicht zweifelhaft, den Begriff Sentimentalität negativ darzustellen. Beispiel (ja, ich weiß: Beispiele hinken immer): Vor kaum 15-20 Jahren galt es als schick und modern, öffentliche Daseinsvorsorge in private Hand zu geben. Hier in Berlin sei als ein Beispiel die Wasserversorgung genannt. Alles könne ein privater Wasserversorger besser, als ein öffentlich staatlicher. So jedenfalls lautete die These der Politik und der "unabhängigen" Medien. Kaum waren die Wasserwerke verkauft, begann der Prozeß der Preiserhöhungen, Leitungsschäden wegen maroden Leitungen, usw.

Jetzt ist die Politik dabei, diese privatisierten Wasserwerke wieder in kommunale Hand zu bekommen. Natürlich für richtiges Geld.

Wer hier den alten Zeiten der öffentlich-staatlichen Wasserversorgung nachtrauerte, war sentimental und zugleich Realist.



Gruß von Haus zu Haus
Rainer (Forumbetreiber)

"Vom Mund zum Ohr auf dem Strahle der elektrischen Kraft!"
Als MP3-Datei: http://www.welt-der-alten-radios.de/files/auf-dem-strahl.mp3

Herrmann:

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Zitieren:

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Wie ungleich winzig das Problem "AM vs. DAB+" eigentlich ist, wird einem bewußt, wenn man sich vor Augen führt, wie wünschenswert eine Welt ohne Kriege, Intrigen, Raubbau und (Selbst)zerstörung wäre.

Zuletzt bearbeitet am 09.12.15 18:37

Hallo allerseits,

ja die Mittelwellen sind weg. Für mich als Großstädter waren sie schon seit Jahrzehnten keine Option mehr. Nicht zuletzt auch wegen der ungenügenden Übertragungsqualität bei Musik, trotz zweier knackiger Ortssender. Aber die Mittelwelle war der Auslöser für das Hobby Radiobasteln. Nur hier konnte man als Anfänger mit geringem Aufwand sicher funktionierende Geräte erschaffen. So erinnere ich mich durchaus mit sentimentalen Gefühlen an eine aufregende u. spannende Zeit. Meine erste EF98 habe ich noch immer. Mit dem Ende müssen wir uns leider abfinden.

Trotzdem halte ich es für ein Trauerspiel, wenn nicht sogar für einen Skandal, dass eine reiche Nation, die obendrein massgeblich an Erfindungen und Entwicklungen der Funktechnik beigetragen hat, es sich nicht leisten will mindestens eine vollfunktionierende Anlage zu erhalten. Oder gibt es Bestrebungen in dieser Richtung von denen ich nichts weiß?
Es gibt in der Welt genügend Beispiele für technische Denkmäler, die, teilweise sogar kommerziell erfolgreich, weiter betrieben werden.

Sehen wir die Zukunft der Mittelwelle sportlich. Wir haben auf dem Band Verhältnisse fast wie zu Beginn der Radiozeit. Es werden
keine hochgezüchteten Empfänger mehr benötigt, um DX zu machen. Es lohnt sich auch weiterhin in dieser Richtung erfolgreich
zu basteln. Jetzt erst recht.

Ein erfolgreiches Jahr für Alle
Jürgen