Re: Direkt geheizte Triode R.E.11 aus dem Jahr 1923
Hallo zusammen,
aus einer Werkstattauflösung in Schleswig-Holstein es ist mir gelungen, über einen Amateurfunkkollegen eine funktionsfähige EVE173 zu bekommen. Es war ein Konvolut aus 6 Röhren, von denen alle funktionsfähig waren. Aus welchem Gerät sie stammten, ist unklar. Das Radiomuseum weist 19 Geräte mit Röhrenanzahlen zwischen 2 und 6 auf, die meisten aus dem Jahr 1917 und hier mit wenigen Ausnahmen reine NF-Verstärker.
Die EVE173 war nach der EVN171 die erste Telefunkenröhre mit zylindrischer Anode, die aus Kupfer- oder Nickelblech (ganz selten dünnes, blankes Eisenblech) gefertigt wurde.
Mich interessierte in erster Linie der Unterschied (=Fortschritt?) zur EVN171.
Wie man sieht, ist das System schräg eingebaut worden. Meine Vermutung ist, dass der Heizfaden erneuert wurde, und die Röhre danach nicht mehr in den Einsatz kam, die Emission ist ausgesprochen hoch.
Die Glaswurst, die das Gitter fixiert, ist unbeschädigt. Man sieht das in der Aufnahme nicht. Exessives Ausglühen des Anodenblechs hat man eigentlich auch nur bei Kupferanoden praktiziert. Die Anode ist nach unten geöffnet.
Der Anodenstrom ging bereits in die Sättigung, und ich hätte mehr als die aufgedruckten 550 mA heizen müssen. Das war mir aber zu risikoreich.
Weiterhin habe ich mich mit der Frage beschäftigt, in welchen Geräten die Röhren verwendet wurden. Das RM gibt ein paar Hinweise auf diverse NF-Verstärker im Holzgehäuse. Obwohl es aus heutiger Sicht naheliegend ist, dass man die Verstärker hinter einem Radio-Detektor verwenden konnte, so muss man sich in die Zeit der 1910-er Jahre zurückversetzen. Rundfunk gab es noch nicht. Vereinzelt mag ein wohlhabener Privatmann an eine solche Röhre gekommen sein, aber der Hauptabnehmer war sicherlich die Deutsche Post und das Militär. Rukop schreibt in der Telefunken Zeitung von einer überstürzten Entscheidung zur Aufnahme der eigenen Röhrenproduktion im Mai 1914. Der Prototyp des Zweiröhrenverstärkers EV89 mit der EVN94 stand demnach am ersten Kriegstag auf dem Labortisch, keine 2 Monate später. Obwohl vom Empfang von Telegrafiesignalen die Rede war, ging Rukop aus Gründen der Geheimhaltung nicht auf den Zweck der Anwendung ein. Dies waren in erster Linie Erdtelegrafie und das Abhören von Front-Telefongesprächen, obwohl z.B. die Luftschiffe von Graf Zeppelin auch mit diesem Verstärker ausgestattet waren.
Prof.Dr. Berthold Bosch schrieb in der Funkgeschichte Nr. 207:
Zitat:
"Die deutsche Heeresverwaltung war Glasgebilden gegenüber skeptisch eingestellt. Sie ließ die Truppe die ersten, seit August 1914 verfügbaren NF-Verstärker mit Hochvakuumröhren teilweise zum Abhören von Erdströmen frontnaher gegnerischer Telefoniegespräche verwenden."
Zitat Ende
Obwohl die Erdtelegrafie (um 100 kHz) wegen der kurzen Reichweite von nur ca. 3 km nur eine kurze Episode war, so war sie den Siegermächten immerhin so wichtig, Deutschland im Versailler Vertrag die Erdtelegrafie zu verbieten.
Ein Beispiel für den Abhorchapparat BW Poppr mit der EVN171 findet sich im Spionagemuseum:
Man muss wissen, dass die ersten Feldtelefongespräche noch auf einadrigen Leitungen gegen Erde geführt wurden. Sommer 1915 führte das französische Militär die TM für den gleichen Verwendungszweck ein.
Übrigens spielt die Röhre in meinem Versuchsaudion hervorragend bei 27V und 0,9 mA bis etwa 1 MHz kurz vor dem Rückkopplungseinsatz.
Gruss Walter
Nachtrag vom 24.02.2023:
Wegen eines eigenwilligen Eintrags möchte ich etwas zum Gewicht der Röhren EVN171, EVE173 und RE11 nachtragen: Der "Däumling" wiegt 27g, die anderen sind gleich schwer mit 98g. Betrachtet man das Gewicht der Bleisammler mit gefüllter Schwefelsäure, spielen diese Unterschiede keine Rolle. Sie waren keine entscheidenen Faktoren in der Fliegerei gewesen, wohl aber die Geld- und Materialknappheit als Folge des Krieges (heute nicht anders).
Nachtrag vom 03.03.2023:
Heute habe ich eine EVE173 #520203/3 vermessen, die einen intakten Innenaufbau hat. Die Anode besteht aus dem eher kritischen Kupfer. Die Thoriumreste scheinen restlos verbraucht zu sein. Dennoch funktionierte die Röhre im Versuchsaudion gut. Ab 700 kHz schwang auch die Rückkopplung.
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Re: Direkt geheizte Triode R.E.11 aus dem Jahr 1923
Hallo Wolfgang,
vielen Dank für die Informationen. Mein Fragezeichen hinter dem Wort "Fortschritt" war natürlich provokativ und überflüssig. Was den Unterschied zwischen der RE11 und der EVE173 anbetrifft, war ich bislang eher der Meinung, dass er klein oder nicht vorhanden ist. Wahrscheinlich müsste man mehrere Röhren untersuchen, was schwierig ist. Allerdings weist der Hinweis auf eine grosse Endlautstärke darauf hin, dass sie auch als Endröhre in frühen Systemen eingesetzt wurde.
Dein Hinweis könnte auch eine andere Erklärung für das schiefe System liefern: Überlastung der Anode. Allerdings hatten diese Bauformen mit höchstens 2W Anodenverlustleistung kaum das nötige Potential, oder vielleicht doch?
Re: Direkt geheizte Triode R.E.11 aus dem Jahr 1923
Zitieren:Dein Hinweis könnte auch eine andere Erklärung für das schiefe System liefern: Überlastung der Anode. Allerdings hatten diese Bauformen mit höchstens 2W Anodenverlustleistung kaum das nötige Potential, oder vielleicht doch?
Sieht nach einer mechanischen Deformierung aus.... Heftiger Stoß, z.B.
Re: Direkt geheizte Triode R.E.11 aus dem Jahr 1923
Kann sein Wolfgang, es war die erste Vermutung. Allerdings überstand das der Heizfaden normalerweise nicht, obwohl er eine wesentlich kleinere Masse besitzt. Wahrscheinlich erfolgte der Schlag genau in Heizdrahtrichtung.