Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo zusammen!
Ich möchte in die Runde fragen, ob jemand Erfahrungswerte zu diesem Thema besitzt. Ich nenne ein Beispiel: Eine EL34 mit ziemlich schwacher Emission (aber noch gutem Vakuum) könnte man ja durchaus in einer EL95-Schaltung weiterverwenden, unter Anpassung der Gittervorspannung, so daß sich ein optimaler Arbeitspunkt bei dieser schwachen Emission ergibt, der die EL95-typische Leistung erbringt. Der ausreichend starke Heizkreis sei vorausgesetzt.
Die Frage ist: Macht das auf lange Sicht Sinn? Wird die gealterte EL34 noch so lange eine EL95-mäßige Emission bringen wie eine noch junge EL95? Oder baut eine gealterte Röhre rasant ab so daß man schon die Stunden zählen kann bis zur völligen Taubheit?
Hintergrund meiner Frage ist: Wenn man sich mit historischen Röhren eindecken möchte, wie lohnend es ist, Exemplare mit etwas schwächerer Emission für den halben Preis zu erstehen. Es ist eben die Frage der weiter verlaufenden Alterungskurve.
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Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo Herrmann,
nette Idee auf die ich noch nicht gekommen bin. Ob mit dem Kauf halblebiger Röhren glücklich werden? Meine Meinung dazu ist daß das kaum sinnvoll ist. Beim Kauf in der EBucht ist nie klar wie gut/schlecht die Röhren wirklich sind. Vor allem die vielzitierte Funke Messung wie die auch anderer Röhrentester ist bei Leistungsröhren nicht aussagekräftig weil normalerweise nicht mit den für ELxx Röhren benötigten Spannungen und Strömen getestet wird. Es gibt auch Tester die das können, sind aber sehr selten.
Und, wie stelle ich nach dem Kauf fest was die Röhre noch kann wenn ich selber keine Möglichkeit dazu haben sollte?
Aufwand einer Schaltungsänderung ist in der Regel so unangenehm daß ich eher weniger Röhren kaufen würde und dafür neue oder zumindest gute. Wie beim Wein.
Alterungsverlauf? Hängt davon ab ob Kathode schwach emittiert oder Gas in der Röhre, Feinschlüße usw.? Ist es nur die Kathode so ist aus meiner Erfahrung mit Musikinstrumentenverstärkern der Verlauf langsam, d.h. eine schwache Röhre bleibt relativ lange einfach nur schwach. Bei den anderen Ursachen habe ich keine Erfahrung außer daß diese Röhren in der Regel überhauüt nicht mehr zu verwenden sind.
Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo Sven,
hier im Forum habe ich mehrfach über Probleme der Normung und Vergleichbarkeit von Röhrenprüfmessungs-Ergebnissen gelesen. Diese Prüfungen arbeiten meiner Einschätzung nach alle viel zu kompliziert. Bezüglich Emissionsmessung gäbe es da eigentlich eine elegante Möglichkeit, die ohne Anoden- Schirmgitter- und Gittervorspannungsvorgaben auskommt: Es wird schlicht und einfach die Gitteranlaufleistung (in µW) gemessen.
Erklärung: Eine Röhre nur mit angelegter Heizspannung ist ein thermoelektrischer Generator, der einen winzigen Teil der thermischen Heizleistung wieder in elektrische Leistung umwandelt. Um die Gitteranlaufleistung zu ermitteln, müssen Gitteranlaufspannung und Anlauf-Kurzschlußstrom gemessen und deren Halbwerte multipliziert werden.
Ich kam auf diese Idee, als ich bei zwei aus der EBucht erstandenen ECL11 ein Drehspulinstrument in der Stellung µA alias mV anschloß und mehr oder weniger die Gitteranlaufleistung maß.
Wenn eine schwache Röhre für lange Zeit einfach nur schwach bleibt, so ist das für mich erst einmal eine positive Rückmeldung, danke. Wenn man unter dieser Prämisse eine Röhre mit 75% Emission zu 1/3 des Preises erwerben kann und der Leistungs- und Steilheitsverlust bei der konkreten Anwendung keine große Rolle spielt, ist das wirtschaftlich sinnvoll.
Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo Herrman!
Diese Idee den reinen Emissionstrom OHNE oder mit sehr geringer Anodenspannung <12 V (vom Röhrentyp abhängig) als Parameter für Emissionsfähikeit der Oxydkatode zu nehmen hatte ich vor längerer Zeit auch. In dem Fachschrifttum über Oxydkatoden werden diese Zusammenhänge gezeigt. Nur man müsste dann diese Daten von garantiert guten Röhren haben. Die Katode wird langsam auf Temperatur gebacht durch eine veränderliche Heizleistung, der sich einstellende Anodenstrom im µA oder mA < 1 - 2 kann mit Sicherheit etwas über die Qualität der Katode aussagen auch über das Vakuum. Alles kann damit nicht ermitteln, aber man könnte einen Low- Coast Röhrentester bauen. Nur die richtige Messung von den kleinen Strömen im µA Bereich ist etwas aufwändig. MFG Nobby
Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo Nobby,
da ein ordentliches µA-Meßgerät zu aufwendig ist und letztlich die Gitteranlaufleistung aussagekräftiger ist, könnte man sich auf ein genormt beschaltetes Drehspulmeßwerk einigen, z.B.
für Kleinsignalröhren, Ri Meßwerk = 1kOhm, 100% Skalenausschlag bei 10mV angelegter Spannung, nW-Skala mit 100er Skalenteilung und 100nW Vollausschlag
Es wird natürlich hier nicht die maximal mögliche Gitteranlaufleistung entnommen (dazu wäre eine individuelle Leistungsanpassung bei jeder Röhre nötig), aber man hat eine sehr leicht reproduzierbare Normung mit einfachen Meßmitteln. (Drehspulmeßwerk mit hinreichender Empfindlichkeit und 1-2 Widerstände)
Ich werde alle meine 4 ECL11 mit einem alten Analogmultimeter in der Stellung µA alias mV (eigentlich ein nW-Meßbereich) vergleichen und dann schauen, ob die Meßwerte mit dem realen Verhalten im Radio konform gehen.
Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo zusammen,
zur der Teilfrage nach der Nachlasskurve kann ich ein gutes Beispiel aus der Praxis bringen:
Ich hatte vor diversen Jahren bei einem Radio eines Freundes bei einer Reparatur "kein Ton" u.a. die EL84 gemessen (w19) und dort 40 % abgelesen. Leider habe ich dann vergessen auch die EL84 zu tauschen.
Der Freund nutzte das Radio ohne Beanstandung, wie "das Ding ist zu leise". Als ich das Radio so nach ca. 3 Jahren wegen Tastensatzkracheln wieder auf den Tisch bekam, fiel mir wieder die EL84 ein. Nochmal gemessen: Ganz knapp unter 40 %.
Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo Rainer,
vielen Dank für die Information. Das spricht für eine lineare oder sogar exponentiell abnehmende Alterungsgeschwindigkeit.
Schwache Endröhren würde übrigens etwas lauter spielen, wenn man die Primärimpedanz des Ausgangstrafos an den gestiegenen Ri der Röhre anpassen könnte. Arbeitspunkt gleichzeitig etwas verschieben zu geringerem Anodenstrom, dann steigt die Netzteilspannung etwas - paßt.
Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo zusammen,
ich hatte mir mal aus der Ukraine zu einem sagenhaft günstigen Preis 8 gebrauchte 6P14P, die zur EL84 (nahezu?) identisch sind, gekauft. Die meisten davon hatten nur noch etwa 60% Emission. Trotzdem klangen sie in durchschnittlichen Radios alle laut und sehr gut. Unter
kann man meine Erfahrungen nachlesen. Die volle Emissionsfähigkeit wird ja nur in den Lautstärkespitzen bei hoher Lautstärke benötigt. Die meisten Radios verzerren aber bei voller Lautstärke ( 2 bis 3 Watt) alleine schon deshalb, weil der Ausgangsübertrager und das Netzteil zu klein ausgelegt sind und der Verstärker nicht mehr linear arbeitet. Aber für normale Zimmerlautstärke reichen ja schon 500 mW Ausgangsleistung sehr gut aus. Deshalb klingen die verbrauchten EL84 noch gut. In einer Gegentaktendstufe mit zwei EL84 und Ultralinear-Ausgangsübertrager mag vielleicht der eine oder andere bei hoher Lautstärke eine verbrauchte EL84 hören, aber in einem durchschnittlichen Radio spielen andere Kriterien eine Rolle.
Ich denke, dass die Emissionsfähigkeit nicht das entscheidende Kriterium ist. Größere Schwierigkeit macht wahrscheinlich die Gitteremission, wenn sich also Kathodenmaterial auf das Steuergitter absetzt. Und dann gibt es noch die Feinschlüsse zwischen Kathode und Heizfaden, die zu Brumm führen.
Dann habe ich noch ein Radio mit einer verbrauchten UCC85 im UKW-Tuner. Aus Kostengründen habe ich die UCC85 nicht ausgetauscht und mich dann für eine bessere Zimmerantenne entschlossen. Die Lösung reichte mir dann, da ich die zwei Stationen, die mich interessieren, damit gut empfangen kann. Es kommt eben immer darauf an. In der Literatur, die während der Kriegs- und Nachkriegszeit entstanden ist, kann man übrigens jede Menge über die Verwendung von gebrauchten Röhren nachlesen. Damals hatte man auch nicht jeden Papierkondensator gleich ausgetauscht, sondern sich genau überlegt, wo die kritischen Stellen in der Schaltung sind. Not macht erfinderisch.
Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Zitieren:In der Literatur, die während der Kriegs- und Nachkriegszeit entstanden ist, kann man übrigens jede Menge über die Verwendung von gebrauchten Röhren nachlesen.
Hallo zusammen, Es wurde in der Zeit sogar, von einem allzu unbedachten Einsatz von Neuröhren abgeraten. Die Argumentation damals "die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Neuröhre wurde höher eingeschätzt, als bei einer Röhre, die sich bereits bewährt hatte und gut eingespielt ist"
Re: Weitere Alterungskurve von bereits schwachen Röhren? Progressiv, linear, exponentiell?
Hallo Herrmann,
ich sehe mich ebenfalls nach historischen Röhren um und bin ebenfalls nicht bereit unbedingt Mondpreise zu bezahlen. Durch die nahende Abschaltung der Mittelwelle und die Abwicklung diverser Nachlässe steigt nach meiner Einschätzung das Angebot bei sinkender Nachfrage. Zum technischen Zustand der Röhren ist mir folgendes aufgefallen:
1. Versiegelte und original verpackte Röhren sind kein Garant für gute Emissionswerte 2. Gebrauchte Exemplare können es auf 100% bringen. 3. Der mittlere Bereich zwischen 40 und 60% ist eher selten und bleibt dort auch über Jahre, solange das Vakuum ok ist. 4. Vakuumverlust ist eher sehr selten. Ich habe z.B. eine EVN171 von 1915 ohne Getterung, die 100% Emission hat.
Ich habe es übrigens wegen der hohen Kosten und der komplizierten Handhabung aufgegeben, mich nach einem "modernen" Röhrenprüfgerät umzusehen. Eventuell befasse ich mich in Zukunft mit einem Kennlinienschreiber. Mir reicht der Emissionstester Tubatest, der ohne hohe Anodenspannung auskommt und alle Gitter mit der Anode parallel schaltet. Sind Röhren zu prüfen, die in der originalen Liste nicht vorhanden sind (zur Einstellung des Potis in Serie zum µA-Meter), dann muss ich den Wert über mehrere gesammelte Röhren selbst bestimmen (Mittelwert bzw. höchster Emissionswert einer Sammlung gleicher Typen). RVF Grundig hat das wohl genauso gemacht. Beispielsweise ist der Wert für die RES164 verkehrt. Er beträgt 6,6 anstelle 8. Über mehr als ein Jahr stelle ich fest, dass die RPG-Angaben der Röhrenverkäufer auch nur Hausnummern sind.
Auf einen Umstand muss ich auch hinweisen: Es gibt einige wenige Anbieter, die die Emissionswerte historischer Röhren durch Regenerierung nach oben treiben. Eigentlich keine schlechte Sache, aber völlig daneben, wenn es sich um keine Leistungsröhre handelt (Schädigung des Heizfadens mit späterer Bruchgefahr). Bei der Regenerierung wird die Heizspannung für eine genau festgelegte Zeit deutlich 30 bis 50% überschritten. Ich habe schon von 100% gelesen. Das funktioniert bei Heizungen bzw. Kathoden, deren Wolframdraht durch und durch mit Thorium durchsetzt ist und nicht nur über den Umweg der Karbidbildung oberfllächenveredelt ist. Man muss wissen, dass die Röhrenhersteller in den 1920'ern noch keine Ahnung über die Dosierung des Thoriums hatten. Streuungen wurden eher einem schlechten Vakkum zugeordnet. Der gezogene Draht wurde anfangs 1:1 aus der Glühlampenproduktion übernommen.