ich habe dem Audion messtechnisch etwas auf den Zahn gefühlt. Es ist im Gegensatz zu den bei Geradeausempfängern weitverbreiteten Gitter-Audion ein Anodengleichrichter. Das bedeutet, dass die Röhre mit negativer Gittervorspannung betrieben wird, so dass der Anoden-Ruhestrom sehr klein wird (Klasse-B-Betrieb). Durch diese Einstellung wird praktisch nur die positive Halbwelle der HF verstärkt, während die negative Halbwelle am Gitter die Röhre sperrt. So entsteht eine Gleichrichtung und damit Demodulation. Im Gegensatz zum Gitter-Audion fliesst dabei kein Gitterstrom, so dass der Schwingkreis nicht bedämpft wird, und der Arbeitspunkt verschiebt sich auch nicht durch die gleichgerichtete HF, so dass auch bei hohen HF-Pegeln keine Verzerrungen entstehen, ausser die NF-Amplitude wird derart gross, dass eine anodenseitige Übersteuerung auftritt. Während für das Gitter-Audion jede Röhre verwendbar ist, funktioniert der Anodengleichrichter nur mit Röhren mit gerader Kennlinie, die zudem auch bei sehr kleinen Anodenströmen noch steil und gerade ist. Regelröhren sind also absolut ungeeignet. In den amerikanischen Datenblättern nennt sich das 'sharp cutoff', während in den deutschen Datenblättern von einer 'kurzen Kennlinie' die Rede ist.
Dazu noch ein Hinweis: auch wenn der Anodengleichrichter dem Gitter-Audion bezüglich Klirrfaktor überlegen ist, ist er für eine Rückkopplung absolut ungeeignet. Das hat folgenden Grund:
Beim Gitter-Audion wird bei steigender HF-Spannung am Gitter das Gitter wegen dem Gitterstrom negativer, was eine Reduktion der Steilheit und damit auch der Verstärkung des Audions bewirkt (auch bei Nicht-Regelröhren, dort einfach weniger ausgeprägt). Durch 'Anziehen' der Rückkopplung steigt bekanntlich wegen der Entdämpfung der HF-Pegel bis zum Schwingungseinsatz. Da durch den steigenden HF-Pegel die Verstärkung reduziert wird, wirkt das der Rückkopplung entgegen, so dass ein 'sanfter' und stabiler Rückkopplungseinsatz erreicht wird, so dass die Rückkopplung dosiert eingestellt werden kann.
Beim Anodengleichrichter ist es genau umgekehrt: Durch die steigende HF-Spannung am Gitter kommen die positiven HF-Halbwellen in den Bereich grösserer Steilheit und werden demzufolge mehr verstärkt. Somit verstärkt sich die Rückkopplung bei steigender HF-Spannung, was eine Instabilität bedeutet und damit einem äusserst harten Rückkopplungseinsatz mit Hysterese, also man muss die Rückkopplung nach dem Einsetzen der Schwingung ein ordentliches Stück über den Einsatzpunkt zurückdrehen, damit die Schwingung wieder aufhört.
Die Lautstärkeregelung über die HF-Verstärkung funktioniert übrigens sehr effizient, auch bei extrem hohem Antennensignal vom Signalgenerator lässt sich die Lautstärke so weit zurückfahren, dass das Signal unhörbar wird. Es gibt auch keine störenden Nebengeräusche.
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vielen Dank für die Erläuterungen zur Rückkopplung in Verbindung mit der Anodengleichrichtung! Wie ich mit unterschiedlichen (allerdings eher historischen) Röhren feststellen konnte, ist es fast nicht möglich, überhaupt eine Rückkopplung zu realisieren. Der Anodenwiderstand musste 220 Kiloohm betragen oder weniger, einem Wert, bei der die Anodengleichrichtung nicht mehr wirksam funktionierte:
für die Interessierten hier noch die Auslegung des Audions mit der Röhre '57 (eine Pentode mit gerader Kennlinie, gemäss Datenblatt für Audione optimiert oder auch als ungeregelte HF- und NF-Röhre verwendbar):
Kathodenwiderstand: 20kOhm, mit 2.4nF überbrückt Gitterableitwiderstand: 1MOhm, sollte hier unkritisch sein Anodenwiderstand: 200kOhm Schirmgitterspannung: ca. 90V über Spannungsteiler
Diese Dimensionierung ergibt eine negative Gittervorspannung von 6V.
Im Anodenkreis hat es für die NF-Auskopplung ein LC-Pi-Filter als wirksamer Tiefpass, damit von der ZF (nur 175kHz) nichts an das Gitter der Endröhre kommt. Es gibt hier keine Rückkopplung und der gitterseitige Schwingkreis des ZF-Filters hat eine sehr hohe Güte (C ca. 50pF).
heute habe ich mich nochmals der Elektronik gewidmet. Der obere Wellenbereich (1.4..2.8MHz) funktioniert jetzt auch, Grund war ein komplett falscher Abgleich. Dabei ist mir die originelle Oszillatorschaltung aufgefallen. Für den Mittelwellenbereich ist es ganz normal, der Oszillator schwingt wie üblich auf der Summe aus Empfangs- und Zwischenfrequenz. Für das obere Band wird in den beiden Vorkreisen ein Teil der Schwingkreisspulen kurzgeschlossen und ein weiterer Trimmer zugeschaltet, so wie man es erwartet. Im Oszillator dagegen wird nur ein Trimmer zugeschaltet, was im ersten Moment verwirrt. Die Messung und die Beschreibung der Variante 'Model 100' hat dann das Rätsel gelöst: im oberen Bereich wird die 1. Oberwelle des Oszillators genutzt. Das erklärt auch die Nebenempfangsstellen, auf die auch in der Bedienungsanleitung hingewiesen wird. Nun muss ich nur noch einen ausreichend spannungsfesten 10uF-Elko besorgen, beim Anheizen steigt die Spannung auf 420V.
Bei der Gelegenheit habe ich das Gerät messtechnisch etwas unter die Lupe genommen. Die Trennschärfe im Nahbereich ist erstaunlich gut, denn es gibt bekanntlich nur ein zweikreisiges ZF-Filter. Die Weitabselektion ist aber deutlich schlechter als bei einem 'normalen' Superhet mit zwei ZF-Bandfiltern. Die beiden Eingangskreise verbessern die Weitabselektion etwas. Die Spiegelfrequenzunterdrückung ist trotz niedriger ZF mehr als ausreichend. Die Empfindlichkeit ist mehr als ausreichend und liegt im Bereich von 'normalen' Superhets ohne HF-Vorstufe.
Bei geringer Modulationstiefe (10%) ist der Klirrfaktor recht niedrig, die erste Oberwelle ist 35dB gedämpft, und die weiteren sind unsichtbar, was einem Klirrfaktor von etwa 3% entspricht. Der Netzbrumm (100Hz) ist recht hoch, und bei 200Hz gibt es ebenfalls Netzbrumm. Gemessen wurde am Lautsprecher.
Bei 30% Modulation sieht es mit 25dB immer noch recht gut aus, die weiteren Oberwellen sind noch unsichtbar. Man sieht aber eine schwache Modulation mit dem Netzbrumm, die ist aber über 40dB gedämpft und stört daher nicht gross.
Bei 50% Modulation ist die erste Oberwelle nur noch 20dB unter der Grundwelle, was einen Klirrfaktor von 10% ergibt. Da es keine weiteren Oberwellen gibt, stört das akustisch aber kaum, was doch erstaunlich ist.
Auch bei 80% Modulation ist nur die 1. Oberwelle vorhanden, hier noch 15dB gedämpft:
Auch 100% sieht ähnlich aus:
Die Lautstärke wurde bei diesen Messungen so eingestellt, dass die Grundwelle immer denselben Pegel hatte, also gleich laut ist. Die ausgeprägte erste Oberwelle kommt vom quadratischen Teil der Eingangskennlinie der Audionröhre. Bei rein quadratischer Krümmung (wie das eine ideale Röhre hat), gibt es nur die erste Oberwelle. Das wird in Hi-End-Kreisen auch als 'Röhrensound' angepriesen, da Eintakt-Röhren-Endstufen ohne Gegenkopplung auch dieses Verhalten zeigen, insbesondere, wenn Trioden verwendet werden. Erstaunlich ist, wie gut das Audion mit hohem Modulationsgrad zurechtkommt, offenbar ist es gut ausgelegt und die Röhre (RCA-Typ '57) wirklich gut geeignet als Anodengleichrichter. Der Klirrfaktor ist bei niedrigen Lautstärken im Gegensatz zum Gitter-Audion unabhängig vom HF-Pegel, er hängt nur von der Modulationstiefe ab.
Hier noch eine Messung mit sehr hoher Lautstärke, jetzt erscheinen auch die weiteren Oberwellen und die Brumm-Modulation (Seitenbänder mit 100Hz Abstand) wird gut sichtbar, ist aber 45dB gedämpft. Der Abstand zum 100Hz-Brumm beträgt 40dB, was bei dem kleinen Lautsprecher völlig ausreichend ist. Ob für die höheren Verzerrungen der Trafo, die Endstufe oder das Audion verantwortlich ist, habe ich nicht untersucht. Sie hängen aber nicht vom HF-Pegel am Antenneneingang ab.
Fazit: Trotz der 88 Jahre lassen sich die Daten sehen. Klar ist das kein HiFi-Gerät, aber es war auch damals nicht das Spitzengerät, sondern eher Mittelklasse. Man hätte auch damals mit mehr Sieb-Kapazität, Gegenkopplung, einer zusätzlichen ZF-Stufe und Dioden-Demodulation die Daten verbessern können, aber für die doch recht einfache Schaltung sind das sehr gute Daten. Man muss auch bedenken, dass zu dieser Zeit in Europa noch kaum Superhets produziert wurden, da waren die Amerikaner weiter.
heute habe ich das Gehäuse inspiziert und die Furnierschäden behoben. Glücklicherweise gibt es keine gröberen Schäden, so dass es sanft restauriert werden kann, also nur etwas ausbessern und mit einer Lackschicht schützen.
Im Inneren hat es noch einen Aufkleber mit den Garantiebestimmungen und den Patentrechten, ist noch amüsant zum Lesen:
das Gehäuse ist sanft renoviert und wartet auf den Inhalt...
Der Lautsprecherstoff wartet noch, da muss ich noch sehen, was die beste Lösung ist. Er ist verfärbt und schmutzig, aber schwierig zu reinigen, weil er auf einem Karton aufgeklebt ist. Die Elektronik wartet noch auf den 10uF-Kondensator, der sollte in den nächsten Tagen einfliegen.
für sanft restauriert sieht das Gehäuse ja wie neu aus. Sehr schöne Arbeit. Mich hat nicht nur das schöne Äussere des Radios, sondern auch Dein Beitrag über die Technik fasziniert.
solche Kommentare liest man natürlich gerne... Das Gehäuse war in einem für das Alter sehr gutem Zustand, der Lack war weder rissig noch blätterte er ab, so dass das Abbeizen und eine Komplett-Neulackierung nicht notwendig war. Die Kratzer habe ich mit Aceton 'weggewischt', das löst den Lack samt Farbe etwas an und sorgt so dafür, dass die Kratzer optisch verschwinden. Danach blieben nur noch die paar kleinen Furnierschäden an den Rändern, die ich ausgespachtelt und übermalt habe. Am Schluss dann noch anschleifen und drei dünne Lackschichten drauf, damit die Oberfläche wieder einheitlich glänzt, damit war der Aufwand überschaubar. Bleibt noch der Stoff der Schallwand für das Wochenende...
das Radio ist wieder fertig zusammengebaut und funktioniert. Der ausgetrocknete 10uF-Elko ist jetzt nur noch eine Attrape, der 'richtige' Elko ist unter dem Chassis, jetzt ein 450V-Typ, so dass die 420V beim Anheizen nicht stören. Den Stoff habe ich mit etwas Bronze-Spray aufgehübscht, so macht er eine gute Falle. Optisch fehlt jetzt nur noch der vierte Drehknopf, der kleine Kunststoff-Ersatz kann noch nicht überzeugen:
von hinten (dieses Radio hatte nie eine Rückwand), der gelbe Draht ist der Erdanschluss und der schwarze der Antennenanschluss:
Detail Skala, beschriftet in kHz, wobei die letzte Ziffer fehlt. Die oberen, kleineren Zahlen gelten für den oberen Frequenzbereich bis 2.8MHz, die grösseren für den 'normalen' MW-Bereich:
Das Typenschild:
amerikanischer Netzstecker:
Hier noch neben dem Philips 736A, der ist einiges grösser:
Am Abend kann er dann zeigen, was er kann...
@Rainer: Du darfst das Gerät selbstverständlich in das Museum aufnehmen, hier die Daten:
Hersteller: RCA Victor (USA) Typ: Model 110 Jahr: 1933
Empfangsprinzip: Superhet mit HF-Vorstufe, ZF 175kHz
Besonderheiten: kein ZF-Verstärker, Audion als Demodulator (ohne Rückkopplung), keine Schwundregelung, Lautstärkeregelung erfolgt durch Einstellen der HF-Verstärkung, im oberen Frequenzbereich wird die erste Oberwelle des Oszillators genutzt