Grammophon mit "Friktion- oder Pressluftverstärker"
Hallo zusammen,
zugegeben nur ein Randthema zum Bereich Phono. Aber ich MUSS einfach auf ein frühes akustisches Verstärkersystem für Grammophone eingehen:
Ein Grammophon setzt ja bekanntlich die Rillensignale über die Nadel in Schallschwingungen um und leitet dieses Schall über einen Trichter (der das Signal tatsächlich ein wenig verstärkt) zum Menschen, der sich an der Darbietung erfreut. Letztlich war aber die erreichbare Lautstärke nicht Saalfüllend. Es hat hier Versuche mit Trichtern mit 1,5 Meter Durchmesser gemacht, viel gebracht hat es nicht.
Zu der frühen Zeit der Grammophone gab es noch keine elektronischen Verstärker oder waren gerade in der Markteinführung.
So sannen die Ingenieure über andere Möglichkeiten nach, den schwachen Ton lauter zu bekommen.
Methode 1:Friktions-Zwischenscheibe. Dabei wurde die Schalldose direkt über ein rotierenden Bernsteinrad mit teilaufgelegter Bremsschlaufe mit dem Tonabnehmer verbunden. Im Takt der Schallschwingungen vom Tonabnehmer wurde das Bernsteinrad stärker oder schwächer angebremst. Diese Friktionsunterschiede verstärkte den Schallhub, der zur Schalldose (oder Schalltrichter) geleitet wurde. Ergebnis: Lauterer Ton als bei dem normalen Tonabnehmer/Schalltrichter.
Methode 2: Die mechanische Feinbewegung vom Tonabnehmer wurde zu einen Ventil geführt. Dieses Ventil lag im Rohrsystem einer Luftpumpe und ließ im Takt der Musik mehr oder weniger Pressluft zum Schalltrichter weiter, irgendwie wie eine Trompete. Die Pressluft (auch manchmal von Kohlensäureflaschen) konnte Trichterlautsprecher kräftig ansteuern. Die NF-Leistungen waren stark. Man konnte sogar Säle oder Freiflächen beschallen. Nachteile: Bemerkbares Luftstromgrundgeräusch und Empfindlichkeit gegen Verschmutzungen im Ventilbereich.
Der gesamte Bereich der "Phonographen und Grammophone" (Autor Herbert Jüttemann) ist in dem gleichnamigen antiquarischen Buch bei Klinkhardt und Biermann, Braunschweig 1979 erschienen. 310 Abbildungen, 273 Seiten.
!!!
Fotos, Grafiken nur über die
Upload-Option des Forums, KEINE FREMD-LINKS auf externe Fotos.
!!! Keine
Komplett-Schaltbilder, keine Fotos, keine Grafiken, auf denen
Urheberrechte Anderer (auch WEB-Seiten oder Foren) liegen! Solche Uploads werden wegen der Rechtslage kommentarlos gelöscht!
Keine Fotos, auf denen Personen erkennbar sind, ohne deren schriftliche Zustimmung.
Re: Grammophon mit "Friktion- oder Pressluftverstärker"
Hallo zusammen,
Technik die begeistert! Es gab wohl noch eine weitere Variante zur Verstärkung. Ich glaube aber nicht für Grammophone...bin mir aber nicht ganz sicher, da auch dort technisch umsetzbar. Bis weit in die 20er wurden elektromechanische Relaisverstärker mit und ohne Hornlautsprecher verkauft. Der Frequenzbereich war aber etwas eingeschränkt. B. Bosch hat dazu einen Artikel verfasst. Funkgeschichte Nr.116 (1997) Das "Telephonrelais" . Leider auch vergessene Technik. Sicher einen eigenen Beitrag wert....aber zu wenig Informationen...ein Bastelprojekt für Feinmechaniker und Uhrmacher.
Re: Grammophon mit "Friktion- oder Pressluftverstärker"
Hallo zusammen,
@Fitzcarraldo: Danke!. Das mit der erreichbaren Lautstärke ist schon bemerkenswert. Klar, man kann den Klirrgrad nicht aus heutiger Sicht beurteilen, HiFi ist das nicht ganz .
Re: Grammophon mit "Friktion- oder Pressluftverstärker"
Hallo zusammen
Das mit der Schallverstärkung ist mir neu und ich finde es sehr interessant. Im Radiomuseum Dormagen hatte ich öfter die Gelegenheit, Grammophone zu hören. Eine gute Platte vorausgesetzt, hört sich das verdammt gut an. Wenn man das Alter der Geräte mit einbezieht, ist das je nach Preisklasse des Grammophons schon recht nah an HiFi. Im Museum stehen einige Grammophone, die sich wohl nur die Oberklasse leisten konnte. Der Klang ist schon gewaltig. Auch die Tonführung im Innern mit gefaltetem Trichter und ähnlichen ist bemerkenswert.
Re: Grammophon mit "Friktion- oder Pressluftverstärker"
Hallo Wolfgang,
sicher konnte man mit einer noch frischen Platte und guter Einmalnadel brauchbaren Klang erzeugen, aber ob das in Richtung HiFi ging, wage ich ein wenig zu bezweifeln. Das Auflagegewicht der Schalldose war nicht unerheblich, die Seitenkräfte und mechanischen Reibungen der Tondosenführung auch. Holznadeln, Stahlnadeln, alles waren andere Worte für zügigen Verschleiß.
Ich habe in meinem Leben zwar nur so an die 100 Grammophon-Vorführungen erlebt, aber so richtig gut hat das nicht geklungen. Damit will ich diese Technik überhaupt nicht schlecht machen, sie war ein Produkt ihrer Zeit. Sicher haben Grammophone mit ihren Platten ihren Charme!
Mit gewissem Grusel denke ich an die Caruso-Vorführungen meines Onkel Willi, der auch Radio-Pionier war, zurück. Nach drei bis fünf Platten suchte ich einen Vorwand, weitere Platten nicht mehr hören zu müssen. Das lag nur bedingt an dem guten Tenor, war nicht so mein Geschmack. Onkel Willi wechselte konsequent nach jeder Platte die Nadel, pflegte die Schellackplatten.
Als er Mitte der fünfziger Jahre sein Philips Tonbandgerät und seine Siemens Kammermusikschatulle bekam, nahm er alle seine Schellackplatten (via Mikrofon) auf und aus seinem Schneider-Atelier tönten ständig Operetten, bis zum Abwinken.
Re: Grammophon mit "Friktion- oder Pressluftverstärker"
Hallo Wolfgang und Rainer,
nein - "Hifi" war es sicherlich nicht. Bei der Friktion- und Pressluftverstärkung ging es vor allem um LAUT...
Gegen Ende der reinen Grammophon-ära (Ende 20er, frühe 30er Jahre) hatte man sich aber bereits ausführlich mit der Akustik beschäftigt und Grammophone gebaut, die bei rein akustischer Wiedergabe, ein doch erstaunliches Klangbild haben. Leider waren diese "High End" Geräte recht teuer und in Europa (im Gegensatz zu den USA) nur wenig verbreitet. Entsprechend bei uns heute eher selten. Grammophone mit einer langen Trichterführung und großen Mundöffnung (z. B. auch sog. "Saxophontrichter) geben aber bereits Bässe wieder.
Die Western Electric entwickelte, und die Victor baute, einen "Umkehrtrichter" welcher fast das komplette Gehäuse einnahm. Die Schallführung war mehrfach gefaltet:
In Europa wurden solche Grammophone auch von der HMV, Columbia und Electrola hergestellt. Ausserdem gab es auch "Kopien", welche aber klanglich nicht ganz heran kamen. Hier aus einem alten Buch (1928) verschiedene Frequenzverläufe von Grammophonen. Den Umkehrtrichter habe ich rot eingefärbt:
Im Vergleich zu früheren Geräten ist bei solchen Grammophonen der Frequenzverlauf von 100Hz bis c. 4.500Hz schon fast "linear". Klanglich ist z. B. so ein Victor Credenza echt nicht schlecht; keinesfalls zu vergleichen mit der einfachen Massenware wie sie damals verbreitet war und heute auch noch in vielen Sammlungen zu finden ist.