Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Hallo miteinander!
Ich bin gerade dabei, mich ein wenig mehr in die Grundlagen der Radiotechnik einzulesen, und bin nun beim UKW-Radiosignal angelangt:
Soweit ich das verstehe, gibt es bei jedem Sender einen +-75kHz Bereich, das sog. Upper Side Band (USB) und das Lower Side Band (LSB), die im Normalfall beide das Selbe übertragen. Wenn man sich nun eines der Bänder anschaut, dann liegt das gemischte Mono-Signal zw. 0-15kHz, der Pilotton auf 19kHz, der Unterträger bei 38kHz und links und rechts von diesem je 15kHz das Signal für den linken bzw. rechten Kanal.
Soweit so gut, d.h. das Radio kann auf jeden Fall die Frequenzen zw. 0 und 15kHz spielen, und wenn es dazu fähig ist und bei Vorhandensein eines 19kHz Pilottons "auf Stereobetrieb umschalten".
Da ergeben sich mir jetzt ein paar Fragen: Wie wurde das bei den alten Stereoempfängern gelöst? Wurde der gesamte Bandbereich bis z.B. 55kHz vom Radio bearbeitet, oder nur der "Mono-Bereich" und erst bei Anliegen eines Pilottons der Bereich zw. 23 und 53 kHz miteinbezogen? (RDS war ja in den 60-ern noch eher kein Thema ;) )
Wie wird das Stereo-Signal nun vom Radio verwendet? Wird das Mono-Signal unter 15kHz ausgeblendet, und nur mehr die getrennten Kanäle verwendet? Oder werden die Signale zw. 23 und 53 kHz zwecks höherem Pegel mit dem Mono-Signal gemischt? Wenn ja, wäre das dann ja nur "quasi stereo", da selbst bei keinem Ton z.B. auf dem linken Kanal, immer noch vom Mono-Signal was dabei wäre, und somit "echtes Stereo" nicht möglich wäre
Und warum verwendete man nicht die jeweiligen Seitenbänder, für die jeweiligen Kanäle? z.B. USB für Rechts, LSB für links
!!!
Fotos, Grafiken nur über die
Upload-Option des Forums, KEINE FREMD-LINKS auf externe Fotos.
!!! Keine
Komplett-Schaltbilder, keine Fotos, keine Grafiken, auf denen
Urheberrechte Anderer (auch WEB-Seiten oder Foren) liegen! Solche Uploads werden wegen der Rechtslage kommentarlos gelöscht!
Keine Fotos, auf denen Personen erkennbar sind, ohne deren schriftliche Zustimmung.
Re: Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Hallo Georg!
Endlich mal jemand der auch liest und es zugibt. Als Fachschrifttum zu empfehlen, nicht zu viel und nicht zu wenig: PRAXIS DER RUNDFUNK-STEREOFONIE von Werner W. Diefenbach Verlag für Radio-Foto-Kinotechnik, Berlin-Borsigwalde Copyright 1965/1967 Da bleibt eigentlich keine Praxisfrage offen, was den Stand der 60er betrifft. Ist natürlich nur noch Antiquarisch zu erhalten.
Re: Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Hallo Georg,
vllt in wenigen Worten der Versuch einer Erklärung:
Das Summensignal (L+R) muss aus Kompatibilitätsgründen zu Monoempfängern übertragen werden. Das Differenzsignal (L-R) braucht man, um mittels Summierstufen bei Stereogeräten die Einzelsignale L und R zurück zu gewinnen (L+R) + (L-R) = 2L, (L+R) - (L-R)= 2R, s.a. h..p://de.wikipedia.org/wiki/FM-Stereo. Dabei wird beim Differenzsignal der Träger (38KHz) unterdrückt und zur Rückgewinnung ein Pilotton (19KHz) mit reduzierter Amplitude übertragen.
Folglich muss die Bandbreite des Empfänger diese gesamte Breite von 30Hz - 53KHz (38KHz + 15KHz) übertragen.
Dadurch entstand auch ein Problem, ältere Empfänger einfach mittels Dekoder für Stereo nach zu rüsten - meist reichte die vorhandene Bandbreite nicht aus für einwandfreien Stereobetrieb.
Mir ist von alten Stereoempfängern lediglich bekannt, dass sie die gesamte Bandbreite verarbeiteten; der Pilotton diente neben der Rückgewinnung des 38KHz-Trägers zur Schaltung der Stereoanzeige.
Der Grund, weshalb man das beschrieben Verfahren und kein anderes verwendet, dürfte in der rel. einfachen Gewinnung der Summen und Differenzsignale liegen. Das kann dir aber genau nur ein Kenner der Materie beantworten, z.B. ein Entwickler.
Neben dem bereits erwähnten Diefenbach-Buch finden sich auch sehr interessante Abhandlungen über die Entwicklung der Stereofonie im schweiz. Radiomuseum.
Re: Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Hallo Georg,
Toyotabus:Oder hab ich da etwas falsch verstanden?
Ja, einiges.
Die von Dir zitierte Grafik zeigt das Spektrum des Signals bevor es auf eine Trägerfrequenz (z.B. 100MHz) aufmoduliert wird. Das Spektrum des frequenzmodulierten Trägers sieht wesentlich anders aus. Anders als bei AM enthält es (theoretisch) unendlich viele Seitenbänder, allerdings mit abnehmender Amplitude. Das HF-Spektrum geht also weit über den Bereich von +/-75kHz hinaus. Zur exakten Rekonstruktion der Modulation wäre es (theoretisch) nötig, alle Seitenbänder auszuwerten. Anders als bei AM ist es bei FM z.B. nicht möglich, nur ein Seitenband auszufiltern um daraus die gesamte Information des Modulationsspektrums zurückzugewinnen.
Aus praktischen/technischen Gründen beschränkt man die Bandbreite eines FM-Empfängers meist auf etwa die UKW-Kanalbreite von 300kHz. (Ich nehme an, daß auch senderseitig eine Unterdrückung höherer Oberwellen vorgenommen wird. Aber da kenne ich mich nicht so gut aus.) Eine Einengung der Bandbreite verursacht bei AM nur lineare Verzerrungen. Die hohen Modulationsfrequenzen (die hohen Töne) werden stärker gedämpft. Bei FM verursacht die Einengung der Bandbreite nichtlineare Verzerrungen (Klirrfaktor). Umso mehr, je weniger Oberwellen ausgewertet werden.
Abgesehen von diesen Unterschieden wird dann im Empfänger-Demodulator (z.B. Ratiodetektor) das in der Grafik gezeigte Spektrum wiederhergestellt.
Toyotabus:Wie wurde das bei den alten Stereoempfängern gelöst? Wurde der gesamte Bandbereich bis z.B. 55kHz vom Radio bearbeitet, oder nur der "Mono-Bereich" und erst bei Anliegen eines Pilottons der Bereich zw. 23 und 53 kHz miteinbezogen?
Wie Klaus schon ausgeführt hat, geht diese Frage von einem falschen Verständnis der einzelnen Komponenten des Stereosignals aus. Im Rahmen eines Postings kann man das aber nicht ausführlicher darstellen als es Klaus bereits getan hat.
Auch ich würde deshalb die Lektüre von einschlägiger Literatur empfehlen, wenn Du Dich für die ältere Radiotechnik interessierst. Neben den bereits erwähnten Quellen würde ich die gesamte Reihe (6 Bände) der Telefunken Laborbücher empfehlen. Auch diese sind nur noch antiquarisch erhältlich. Die Stereo-Rundfunk-Norm und der Aufbau des Multiplex-Signals werden z.B. in Band 4 ausführlich behandelt. Etwa auf Techniker- bis Fachhochschul-Niveau.
Re: Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Hallo Zusammen!
Die ZF Bandbreite sollte so + - 90 KHz und ohne Welligkeit sein . Auch der Ratiodetektor muss über 50 KHz ohne Verzerrungen verarbeiten können. Diese Forderungen können von Mono UKW Geräten nicht erfüllt werden.
Re: Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Hallo zusammen,
ergänzend zu den bisherigen Ausführungen sei angemerkt, dass bei Interesse zur FM-Bandbreite die Suche nach Carson-Formel weiterhilft. Dort finden sich die entsprechenden Berechnungsformeln.
Re: Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Hm... Zuerst einmal danke euch allen, für die sehr detaillierten und profunden Antworten.
Also kann man zusammenfassend sagen, daß - Solange es noch keinen Stereofunk gab, wurden die alten Mono Empfänger mit einer Bandbreite von zumindest 15kHz designed, da nicht mehr notwendig war. Als dann senderseitig die Differnzsignale hinzukamen, war es aufgrund der schaltungstechnisch vorgegebenen Bandbreite von Gerät zu Gerät abhängig, ob überhaupt bis zu 53kHz verarbeitet, und somit stereoempfang nachgerüstet werden konnte.
- Aus Kompatibilitätsgründen zu den Monoempfängern wurde bei Einführung des Stereo-Funks einfach "das Signal nach oben hin erweitert", anstatt die Übertragungsart komplett neu zu erfinden, und somit alle am Markt befindlichen Geräte unbrauchbar zu machen.
Tja, man sollte immer gründlich lesen, denn daß jene Signale zw. 23-53 kHz Differenzsignale sind, hab ich scheinbar überlesen, oder so aufgefasst, daß es die eigentlichen L-R Signale sind... Somit ist klar, daß ein Stereoempfänger aus Mono-Signal +- Differenzsignal das endgültige Signal für L und R gewinnt.
- Wenn also nun ein Stereo-Empfänger einen Mono-Sender, und somit keinen 19kHz Pilotton empfängt, kann er auch nicht den 38kHz Träger generieren, und es wird gegenüber dem Mono-Signal in der Summierstufe nichts verändert und der Radio spielt mono.
nobbyrad58:...Als Fachschrifttum zu empfehlen, nicht zu viel und nicht zu wenig: PRAXIS DER RUNDFUNK-STEREOFONIE von Werner W. Diefenbach Verlag für Radio-Foto-Kinotechnik, Berlin-Borsigwalde Copyright 1965/1967 Da bleibt eigentlich keine Praxisfrage offen, was den Stand der 60er betrifft....
Re: Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Hallo Toyotabus und hallo in die Runde,
nach langer Zeit mag ich auch mal wieder meinen Senf dazugeben. Die zusammenfassenden Thesen in deinem letzten Post sin nun alle richtig, jetzt hast du es! Ergänzend noch zum letzten Punkt wäre noch zu sagen, dass viele Decoder nur beim Vorhandensein des Pilottons in Betrieb gehen und sonst das Signal am Decoder vorbei schalten. Der Pilotton dient also dann auch zum Umschalten des Signalwegs. Übrigens ist die Zf-Bandbreite auch bei Monoradios manchmal größer als man denkt. Es gab um 1973 von Loewe-Opta ein kleines Zusatzgerätchen namens MoSt 1, den man an die TB-Buchse eines Monoradios anschließt und der, trotz geringer Zf-Bandbreite und Deemphasis, die Reste von Pilotton und Differenzsignal herausquält (extrem verstärkt) und dann decodiert und an einer Kopfhörerbuchse das Stereosignal ausgibt. Ich habe das Ding und habe es selber getestet: Guter Stereoempfang aus z. B. einer Bella 5710W oder aus einem To*(F)*g 70, wirklich wahr!
Re: Wie realisierten die alten Radios UKW-Stereoempfang ?
Nachtrag: Ohne die automatische ich-unterdrücke-alle-unanständigen-wörter-Funktion wäre mir nie augefallen, dass sich ein solches im Namen der berühmtesten Schaub-Lorenz-Kofferrradios befindet :-) Siehe letzte Textzeile in meinem letzten Post.